Im Rheingold spielt der Regieassistent und Komparse Patric Seibert die Rolle des Angestellten des Golden Motel, ist omnipräsent bald in dieser, bald in jener Szene, mal Kalfaktor, mal Barmann oder Paparazzi… Bei einem Schwenk der Drehbühne entdecken wir ihn im Innern einer mit Trashfilm-Plakaten tapezierten Bude, versunken in die Lektüre eines Comics aus den 1950er Jahren : Sigurd. Das Bild ist nur wenige Sekunden präsent, aber dennoch prägt sich das flüchtige Detail rasch in unser bereits nicht wenig beanspruchtes Gedächtnis ein. Sigurd versetzt manch einen im Publikum zurück in die Nachkriegszeit, die geprägt war vom amerikanischen Einfluss auf die Populärkultur Deutschlands. Vom Schweizer Zeichner Hansrudi Wäscher geschaffen zeigt der Sigurd dieser Serie alle Charaktermerkmale des großherzigen Helden. Die Publikation steht in einer Linie mit Tarzan, Mandra, Flash Gordon oder dem 1937 erschienen berühmten Prinz Eisenherz aus der Feder des Amerikaners Harold Foster. Zwischen 1953 und 1963 wurde die kleinformatige Serie Sigurd in Rekordauflage herausgegeben : Es erschienen 581 Bände. Sigurd mit seinem blonden Schopf und der bewundernswert rebellischen Haartolle schaffte es schnell, die Herzen und die Fantasie von Generationen deutscher Kinder zu erobern, offensichtlich auch die eines gewissen Frank Castorf

 

Wir riskieren demnach wenig, nach irgendeiner Bezugnahme auf den Sigurd des Ernest Reyer zu suchen, einer Oper in vier Akten, neun Bildern und zwei Balletten, die 1884 uraufgeführt wurde… Andererseits … Die Anspielung auf das Nibelungenlied und die alten Texte (Edda) sind sehr wohl präsent, es reicht – wie so oft bei Castorf – den Faden aufzunehmen und ihm zu folgen, ob richtig oder falsch, was solls. Einer dieser Fäden führt zu Sigurd Schlangenauge (altnordisch : Sigurðr ormr í auga) aus den im 12. Jahrhundert gesammelten und in Prosa verfassten Sagas, insbesondere der Lieder-Edda und der Völsunga saga. Im Mittelalter taucht Sigurd-Siegfried in germanischer Version im Nibelungenlied wieder auf. Wir brauchen uns nicht in den gutturalen Mäandern von Fafnir, Hreidmarr, Sigmundr, Völsungr, Sigrun, Brynhildr, Guðrún, Gunnarr et Högni zu verlieren… es genügt, die germanischen Helden zwischen den Sprechblasen der Comicstrips als Augenzwinkern Castorfs zu nehmen, als Heroische Fantasy… Eine Art und Weise zu sagen, dass wir uns niemals vom Thema entfernen, dass der Rings überall ist, selbst im Comic.

 

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