Das Künstlerpaar Christo und Jeanne-Claude, bekannt für ihre vergänglichen Installationen „eingehüllter“ Gebäude, Monumente oder natürlicher Landschaftselemente, hat Frank Castorf zu zwei außergewöhnlich köstlichen Zitaten inspiriert.

Das erste interveniert im letzten Akt der Götterdämmerung, rechtzeitig zum Untergang der Götter und dem Aufscheinen einer neuen Welt. Verhüllt mit einer riesigen Plane taucht plötzlich eine neo-klassische Fassade im Hintergrund der Bühne auf und lässt Walhalla Wirklichkeit werden, der Zerstörung durch die Flammen versprochen… Die Form erinnert an das gleichnamige Denkmal, das Ludwig I von Bayern zur Ehre der deutschen Zivilisation in Donaustauf, an den Ufern der Donau errichtete. Man denkt auch an eine andere gefeierte Fassade, die des 1995 von Christo „verhüllten“ Reichstags. Überraschung : Die Plane reißt entzwei und gibt den Blick frei auf… die New Yorker Börse (New York Stock Exchange, Wall Street). Argusaugen könnten gar in den Fenstern abstrakte Malereien erkennen, von denen man sich vorstellen kann, wie sie Teil des Kunstmarktes werden, ganz so wie die Skizzen Christos, deren Verkauf die Finanzierung seiner Installationen ermöglicht.

Aber kehren wir zum Reichstag zurück. Die künstlerische Geste Christos feiert die Wiedervereinigung Deutschlands als Ereignis, das für die ganze Welt symbolischen Wert besitzt. Mit seinem „monumental monumentalen“ künstlerischen Werk, dessen Besitz oder Kauf unmöglich ist, setzt sich Christo in Widerspruch zu Medienrummel und Konsumgesellschaft.

Das mit schmerzhaften Erinnerungen aufgeladene Monument symbolisiert die politische Macht Deutschlands, aber zugleich auch den Beginn der Kommunistenverfolgung durch die Nazis. Die Inbrandsetzung des Reichtags in der Nacht vom 27. zum 28. Februar 1933, für den Marinus van der Lubbe hingerichtet wurde, gibt einen Vorgeschmack auf die politische Feuersbrunst, die zum Zweiten Weltkrieg führen wird. Ein Detail in Christos Installation ist daher von Belang : Die für das Projekt benötigten 100.000 m² Polypropylen weisen die ausgefallene Eigentümlichkeit auf, durch eine Schicht Aluminium feuersicher imprägniert zu sein. Beim Versuch, den vergänglichen Charakter des Werkes per Brandstiftung zu beschleunigen, würden Vandalen schlicht scheitern. Das Spiel mit der Vermischung von Walhalla-Reichstag, lässt einen Teil des Publikums denken, dass Castorf nach Art anarchistischer Provokation eine neue Zerstörung des deutschen Parlaments in Szene setzt. Wenn wir die Metapher weiter treiben, ist Walhalla der für die Flammen bestimmte Reichstag – hier als Tagungsort der Parlamentarier des neuen Deutschland. Der Vorhang fällt, und wie ein Magier ein zuvor verborgenes Objekt enthüllt, so verwandelt Castorf den Reichstag in den Tempel des globalen Kapitalismus. Es steht uns frei, diesen Zaubertrick als Inbesitznahme des Politischen durch die Finanz zu interpretieren (und genauer, laut gewissen Kommentatoren, die Unterwerfung Deutschlands durch die USA). Verbergen, um aufzudecken gewissermaßen.

Ein weiterer Christo-Moment : Der in eine Plastikplane gewickelte Scheiterhaufen, auf dem der Leichnam Siegfrieds liegt. Der Stapel Ölfässer lässt an die Installation „Mauer aus Ölfässern – Eiserner Vorhang“ denken – die Juni 1962 in der Rue Visconti in Paris errichtet wurde.

Ganz zu Beginn ihrer Karriere, hatten Christo und Jeanne-Claude ein Jahr zuvor die Idee, gegen den Bau der Berliner Mauer zu protestieren. Als Mittelding aus Barrikade und Grenzmauer machen die Fässer eine ohnehin enge Strasse dicht und legen den Akzent auf die politisch-ökonomischen Interessen, die als Vorwand für die dramatische Teilung Berlins dienten. An einer Berliner Straßenecke situiert, fügt diese metaphorische Mauer der rhizomartigen Dimension der Arbeit Frank Castorfs ein weiteres Element hinzu. Es überrascht nicht, dass sich Castorf eine ästhetischen Form des Ausdrucks desjenigen aneignet, der Geographie und Geschichte verhüllt…

 

 

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