Markus Eiche (Gunther 2016)

Es tut in der Seele weh, die beiden Vertreter der Familie der Gibichungen zu sehen. Man errät, dass sie mit einem Silberlöffel im Mund geboren wurden und ihr Halbbruder Hagen ihnen auf der Nase herumtanzt. Castorf hat aus ihnen zwei jugendliche Parvenues gemacht, ignorant gegenüber dem, was hinter den Kulissen ausgeheckt wird, und der Rolle, die zu ertragen ihnen ohne ihr Wissen bald schon zugeschoben wird. Ohne genau bestimmte Beschäftigung kann man sich gut vorstellen, dass Familie Gibichungen der Döner Kebab gehört, weniger gut laufende Miniaturversion des Golden Motel. Diese Interpretation erlaubt nebenbei die Tatsache zu rechtfertigen, dass die Familie einen migrantischen Hintergrund hat – das Thema Migration und die Schwierigkeiten der Eingliederung treten in der Götterdämmerung deutlich zutage.

Alejandro Marco Buhrmester (Gunther 2013–2015)

An dem Ort, an dem Donner ganz am Ende von Rheingold mit großem Schlag die Leuchtreklame wieder zum Strahlen bringt, leuchtet in der Götterdämmerung das bescheidene und dreckige Schild „Döner Box“ ((Diskret umgestellte Anspielung auf den Film „The Golden Box“ (siehe Artikel Trashfilme))) über der Dönerbude. Junk-Food-Komplize Patric Seibert spielt den Angestellten aus der Unterschicht und hält Gunthers schäbigen Laden mehr schlecht als recht am Laufen. Trotz offensichtlich wenig glänzender Geschäfte führen sich Gunther und seine Schwester wie reiche Müßiggänger auf. Hagen profitiert von ihrer Feigheit und Schwäche, um sie geschickt zu manipulieren, ohne dass einer von ihnen auch nur für einen Moment am allmächtigen Status eines Gibich zweifelt. Indem er den sichtbaren Unterschied zwischen Gunther und Siegfried löscht, akzentuiert Castorf den Verwechslungseffekt : Siegfried kreuzt auf und erkennt in Gunther sein Alter Ego als Held – als etwas, was Gunther nicht ist.

Der Fall Gutrune ist ambivalenter. Wirksamer als ein Opfer oder ein Trinkhorn genügt Hagen das Angebot einer Isetta, um sie davon zu überzeugen, Siegfried zu verführen. Dieses seltsame, von Castorf ersonnene Geschenk könnte einen Versuch der Verführung von Hagens Seite erwarten lassen. Siegfried seinerseits bietet nichts und spießt das launische Weib auf, sobald der Liebestrank getrunken ist. Die Frage der Verantwortung und des Bewusstseins von Gutrune ist mit Absicht nicht sehr ausdrücklich gestellt. Angekleidet wie für einen Debütantinnenball, jedoch die Kleider häufig wechselnd, insbesondere um farblich (türkis) zur Isetta zu passen, ist sie zugleich Unschuldslamm und raffinierte Verführerin, die darüber hinaus zulässt, dass die von Hagen zusammengetrommelte Bande mit ihr schäkert. Im Augenblick will sie sich nur amüsieren. Man versteht, dass sie für Siegfried aufregender wäre als die langweilige Brünnhilde auf ihrem Felsen.

Wenn die Masken fallen und der Betrug in seiner ganzen Dimension erkennbar wird, verwandelt sich das mondäne und oberflächliche Kind in eine verheulte Jugendliche. Die Wimperntusche, die beim Anblick der Leiche Siegfrieds fließt, bringt ihre tiefe Verzweiflung zum Ausdruck, und sie ist die einzige, die den Mut hat, die Feigheit Hagens offen anzuprangern. Der Schock ist brutal und das Bild sehr stark : Mit Not kann sie sich gerade noch aufrecht halten, vom Schmerz überwältigt zitternd, am Rande des Wahnsinns.

Allison Oakes (Gutrune)

 

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