Norbert Ernst (Loge 2013–2014)

Kein Rauch ohne Feuer : Während die Rheintöchter um den Grill herumlaufen, brennen die Würstchen an. Seit dem allerersten Bild von Castorfs Ring riecht es angebrannt. Wir sehen uns konfrontiert mit der Farce eines Brandes, entzündet von einem schelmischen Gott. Am Ende der Götterdämmerung ist wieder er es, der das letzte Wort hat, wenn der Ring in den Flammen eines brennenden Ölfasses verschwindet. Als trügerischer und spitzbübischer Gott ist der Loge der Tetralogie von Loki inspiriert, dem Gott der Zwietracht in der nordischen Mythologie. Wagner nimmt die Idee einer durch die Handlung führenden vielgestaltigen Figur wieder auf, sei es mit menschlichen Zügen oder in anderer Erscheinung, im Ring in diesem Fall : Feuer, Flamme, Glut usw.
Im Rheingold erscheint Loge in knallrotem Anzug und schwarzem Hemd, was an eine anarchistische Version der Freia erinnert (siehe Artikel Anarchismus) In den beiden ersten Jahren Norbert Ernst anvertraut, dann John Daszak 2015 und Roberto Saccà 2016 und 2017, nahm die Figur sehr unterschiedliche Erscheinungen an : Levantinisch gelockt, durchtrieben und possenhaft oder ein waschechter Betrüger und unverbesserlicher Lügner. Loge ist der Mephisto, das Sandkorn, das verhindert, dass dieser Ring der Nibelungen rund läuft, wobei er permanent mit seinem… Benzinfeuerzeug spielt. Dieser anerkannt falsche Fuffziger taucht nur im Prolog des Rings auf, dennoch ist er der Anführer und spricht die letzten Worte (mit dem letzten Bild des Rheingold hat Patrice Chéreau diesen Moment allen ins Gedächtnis geschrieben, dem genialen Heinz Zednik, der den Vorhang wieder schließt, indes die hochmütigen Götter nach Walhalla aufsteigen). Castorf beschreibt ihn als Kuppler im Schatten, als Mittler, der es erleichtert, Übereinkünfte und Geheimverträge zu unterschreiben. In dieser weiten Erzählung im Dunst von Geld und Öl ist leicht zu erkennen, dass Loge für Wotan als Unterstützung relativ ist, ebenso unbeständig wie politische Allianzen und Börsenkurse. Er ist der Doppelagent, auf den die Leuchtschrift „DUPLEX“ auf dem Golden Motel in dem Moment geschickt hinweist, als er Wotan dazu bringt zuzustimmen, den Ring den Riesen zu geben :

Was gleicht, Wotan, wohl deinem Glücke ?
Viel erwarb dir des Ringes Gewinn ;
dass er nun dir genommen, nützt dir noch mehr :
deine Feinde, sieh, fällen sich selbst
um das Gold, das du vergabst. 

Sehen wir ihn im Übrigen nicht die Verhandlungen mit Alberich in die Hand nehmen, um ihn an der Nase herum zu führen ? Eine „rechtliche“ Angelegenheit, in der es darum geht, den „Dieb zu bestehlen“. Er ist es, der den Tarnhelm am Gürtel trägt, während Wotan nach dem Ring greift, als wollte Castorf zeigen, dass sie halbe-halbe machen, dass die beiden Komplizen sich vor der Tat abgesprochen haben. Die Verhandlungen zur Befreiung Freias haben nichts philanthropisches ; tatsächlich hat ihre Gefangennahme durch die Riesen das Aussterben der Götter zur Folge, denn sie versorgt sie mit der Speise ihrer Unsterblichkeit und ihres Ruhmes : den berühmten goldenen Äpfeln, die sie in ihrem Garten zieht. Mit seiner List und seinem Wissen besitzt Loge einen Trumpf im Ärmel, der ihm erlaubt, dieser göttlichen Komödie am Schluss des Rheingold ein Ende zu setzen.

Ihrem Ende eilen sie zu,
die so stark im Bestehen sich wähnen.
Fast schäm ich mich
mit ihnen zu schaffen ;
zur leckenden Lohe
mich wieder zu wandeln,
spür ich lockende Lust :
sie aufzuzehren,
die einst mich gezähmt,
statt mit den Blinden
blöd zu vergehn,
und wären es göttlichste Götter !
Nicht dumm dünkte mich das !
Bedenken will ich's :
wer weiß, was ich tu'! 

Gefangen in einer Halluzination hatte Barmann Patric Seibert den Benzinhahn aufgedreht, der nun den Diesel auf den Boden verspritzt. Sich der drohenden Gefahr in kleinster Weise bewusst, beginnt er mit seinen Komplizen zum wiederholt skandierten Motiv der letzten Akkorde einen geheimnisvoll hypnotischen Veitstanz aufzuführen. Castorf zeigt Loge, wie er sich mit der Flamme seines Feuerzeuges der Lache nähert und im letzten Moment davon absieht, da er die Klage der Rheintöchter hört. Das Spiel mit dem Feuer zieht sich durch den ganzen Ring, ist ein wiederkehrendes Motiv, das von Hand zu Hand geht und stets mit verbrannten Fingern endet. Castorf hat die Thematiken des Goldes und des schwarzen Goldes eng verflochten, so finden wir das Bild von Loges Flamme zugleich verbunden mit ihrer chemischen Nahrung (dem Öl) wie mit ihrem ideologischen Brennstoff (der politischen und ökonomischen Herrschaft).

In der Walküre zitiert ihn Wotan zu sich, um auf etwas schwülstige Art eine Feuerwand um seine geliebte Tochter zu errichten. Die auf der Spitze der Ölquellen lodernden Flammen sind weniger ein Schutz als eine gute und angemessene Sabotagetaktik. Indem sie die Ölquellen in Baku außer Betrieb setzten, konnten die Sowjets die Ankunft der deutschen Armee verzögern, und diese Funktion des noli me tangere hat Loge.

Im Siegfried ist es der Bär – Patric Seibert bläst in die Glut und entfacht die Flamme neu, die Siegfried ermöglicht Notung zu schmieden ; sein neues Spielzeug zusammenzubauen – eine Kalaschnikow – und so das Pulverfass zur Explosion zu bringen. Gleichfalls erscheint sie als Requisit, wenn Kellner Patric Seibert ein Feuerzeug aus der Tasche holt, um die Zigarette des Wanderers anzuzünden, oder als Augenwischerei in der eisig frostigen Liebesglut zwischen Siegfried und Brünnhilde.

In der Götterdämmerung vermittelt sich die anwesende Abwesenheit Loges mal in feinen, mal in offensichtlichen Details. Da sind zunächst die Kerzen der Nornen vor dem Voodoo-Altar, dann die sehr traumartige Reise Siegfrieds auf dem Rhein, wo er ausgestreckt auf einer Bank nach Art der Zündholzverkäuferin von Andersen Streichhölzer anreißt. Eine andere Glut – eine politische diesmal – wird plötzlich entfacht, als die Menge hereinbricht und Patric Seibert (schon wieder er!) sich hinter der Bar zu schaffen macht. In der Opferszene gießt Brünnhilde den Inhalt zweier Benzinkanister aus, während die Rheintöchter sich ein Feuerzeug greifen und dann, wie Loge am Ende des Rheingolds, über dem im Öl schwimmenden Leichnam Siegfrieds von ihrer Tat absehen. Das Inferno wird bescheidener sein : ein brennendes Ölfass, in das die Rheintöchter den Ring fallen lassen, den herauszugeben Brünnhilde doch zugestimmt hatte. Vergeblich taucht Hagen mit seinen Händen in die Flammen, um ihn zurückzuholen ; der Ring bleibt außer Reichweite, ist von nun an einzig das Eigentum von Loge – Hauptrolle und hauptsächlicher Sieger dieses Rings.

Heinz Zednik (Loge in der Chéreau's Produktion – Bayreuth 1976)

 

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