Wie schon Brünnhilde, so heben sich in dieser Inszenierung auch die Figuren der beiden Zwillinge von der traditionellen Darstellung ab. In Frank Castorfs Sicht haben sie eine funktionale Rolle : die Geschichte voranbringen, soll im Wesentlichen heißen, Siegfried zur Welt bringen.

Der in den ersten drei Jahren durch den bedauerlicherweise verstorbenen Johan Botha dargestellte Siegmund war eine vergleichsweise moderate Figur, die nichts hatte vom flamboyanten Helden nach Art eines Peter Hoffmann (bei Chéreau). Durch die Persönlichkeiten der Sänger-Schauspieler stark eingeschränkt, überträgt Castorf diese energischen Züge der Sieglinde Anja Kampe. Darüber hinaus triumphiert das Paar auf unbeschreibliche Art.

2016 haben sich die Dinge spürbar verändert : auf Johan Botha folgt Christopher Ventris und Heidi Melton tritt die Nachfolge von Anja Kampe an. Johan Botha war kein Schauspieler, also hatte ihm Castorf klar definierte Bewegungen zugedacht, um ihm ein naives wie etwas verlorenes Profil zu verleihen, während Anja Kampe im Gegenzug die Erwartung des „Retters“ über den Haufen warf : Sie schwingt Notung, als habe sie den Sieg davongetragen. Christopher Ventris verfügt weder über die Stimme eines Botha noch hat er eine ausgeprägte Bühnenpersönlichkeit. Auch die spät zur Inszenierung hinzugekommene Heidi Melton ist passiver, was spürbare Folgen für das allgemeine Erscheinungsbild der Zwillinge hat. Wie man sieht, hängt die Verkörperung der Zwillinge stark von den Persönlichkeiten der Sänger ab, was im Grunde heißt, dass es in dieser Inszenierung keine markante Geste bezüglich dieser Figuren gibt.

Nichtsdestotrotz überraschen einige Elemente dieser Szenen :

  • Der Kontext : Ein Bauernhof in Aserbaidschan, der zugleich eine Ölquelle ist, getreu zeitgenössischer Fotografien, die Bauern bei der Ölförderung zeigen. Zeichen dieser Stimmung sowie Metapher der Zwillinge ist ein Truthahnpaar im Käfig, das Sieglinde mechanisch füttert (was sie im dritten Akt mit dem leeren Käfig noch einmal tun wird).
  • Das Vorhandensein von Heuballen, die Siegfried als Stütze und auch ein bisschen als Versteck dienen.
  • Die augenscheinlich ruhige Atmosphäre wenn sich der Vorhang hebt, die aber recht schnell von zwei Zeichen des herrschenden Terrors ausgelöscht wird : im Vordergrund die blutige Leiche auf einem Karren (die wir in der Götterdämmerung wiedersehen werden) und das Erscheinen von Hunding mit Chapeau Claque und einem abgetrennten Kopf auf Speeres Spitze. Gewöhnlicher Horror, der niemanden überrascht. Bei den Hundings ist der Terror alltäglich.

In dieser Atmosphäre entwickelt sich die außerordentlich detaillierte Szene des Schlaftrunks, was einem Video zu verdanken ist, dass erlaubt, daraus eine Art Stummfilm Noir zu machen : Sieglindes Blicke, die wohlkalkulierte Geste mit der Phiole, ihr befriedigtes Lachen, nachdem sie ihrem Mann den Trunk gegeben hat. All dies derweil Siegmund passiv im Stroh liegt. Es ist Sieglinde, die handelt.

Das Video ermöglicht auch, Hunding in jenem Raum schlafend zu sehen, der den Blicken der Zuschauer entzogen ist, doch hat er einen schlechten, etwas unruhigen Schlaf.

Der markante Moment im zweiten Akt zeigt Sieglinde schlafend auf einem Bett, mit den Seiten der Правда bedeckt, die der Wind wie welkes Laub aufwirbelt, während die Ermordung Siegmunds, seit dem Geistesblitz Chéreaus eine „herausragende“ Szene, im Innenraum der Hallen-Bauernhof-Ölquelle vonstattengeht – wir sehen eine dichtgedrängte Montage und die verblüfften Gesichter der Protagonisten in Nahaufnahme : Der Gesichtsausdruck Siegmunds als er seinen Vater entdeckt ist ein außergewöhnlicher Moment.

Im dritten Akt erscheint Sieglinde, im Bühnenbild des ersten Aktes ein vor Schmerzen halb bewusstloser Automat, und nimmt ihre alten Gewohnheiten wieder auf. Wie oben bereits geschildert wird sie Truthähne füttern, die nicht mehr da sind. Ist es noch immer ein Bauernhof ? Zweifellos eine Erinnerung an den Bauernhof, denn die Zeit ist fortgeschritten in dieser Inszenierung, in der Aleksander Denić die Orte immer wieder und systematisch so konzipiert, dass sie weder ganz die Gleichen noch ganz andere sind. Der Ort des ersten Aktes wird nun von den Walküren wieder in Beschlag genommen und aus der Terrasse der Hundings ist eine Art Biergarten geworden : ein Ort, mehrere Funktionen.

Ein traditionelles Standbild : Die Zwillinge Castorfs ähneln allen Zwillingen in allen Inszenierungen des Rings. Es ist kein Zufall, dass die Walküre von Publikum wie von der Kritik als traditionellste der vier Opern angesehen wird, in der mancher im Publikums sich wieder ein wenig zurechtfindet, nachdem er vom Rheingold aus der Fassung gebracht wurde.

 

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