Was wäre Wagner ohne Bühnenbild ? Ein guter Teil der Inszenierung verdankt sich dem Raum, in dem sich die Schauspieler-Sänger bewegen, als hätte Wagner beim Ersinnen des Gesamtkunstwerks den Bühnenbildner zu Wort kommen lassen.

Das Diplom der Akademie für Angewandte Kunst Belgrad in der Tasche, sammelte Aleksandar Denić erste Erfahrungen als Szenenbildner des Films „Underground“ von Emir Kusturica. Es folgten um die zwanzig Filme und zahlreiche Bühnenbilder am Theater, darunter zeitgenössische Stücke von R.W. Fassbinder, Lukas Bärfuss, Edward Bond, Yasmina Reza, Sergi Belbel, Mel Brooks und Sam Shepard, aber auch Dürrenmatt, Tschechow, Handke, Goldoni und Ostrowski).

Als Architekt und visueller Künstler konzipierte er neben Filmkulissen die Innenräume mehrerer öffentlicher Orte. Seine erste Zusammenarbeit mit Frank Castorf geht auf eine denkwürdige Dame au Camélias zurück, die 2012 am Odéon uraufgeführt wurde und beim Publikum Fassungslosigkeit und Wut heraufbeschwor. Der Regisseur vertraute ihm die Bühnenbilder für Das Duell von Anton Tschechow an, Baal von Bertolt Brecht, Amerika von Franz Kafka, Reise ans Ende der Nacht von Louis-Ferdinand Céline sowie Pastor Ephraim Magnus von Hans Henny Jahnn. Im November 2016 brachte sie der Faust von Gounod an der Stuttgarter Staatsoper wieder zusammen.

In Apocalypse Now von Francis Ford Coppola hatte Denić die Musik Richard Wagners entdeckt, von der Existenz der Bayreuther Festspiele wusste er nichts bis zu dem Tag, an dem er die Einladung erhielt, dort zu arbeiten… Die Bühnenbilder des Rings erzwingen Bewunderung und erinnern an nichts, was man auf dem Hügel je zu sehen bekommen hatte. Die offensichtliche Verwandtschaft mit seinen anderen Bühnenbildern fürs Theater führen zum Gedanken, dass Aleksandar Denić von einer Produktion zur nächsten in gleicher Richtung weiterarbeitet. Die Architektur seiner Bühnenbilder fügt der sich entwickelnden Handlung eine sehr stark referentielle Dimension hinzu.

Im Fall der vier Bühnenbilder des Bayreuther Rings ist das offensichtlich. Die schwenkbare Bühne illustriert die raum-zeitliche Beziehung, hervorgerufen durch die Konstruktion des Dramas rund um die Metapher des Rings. In Wirklichkeit ist es nicht wichtig, dass der Fluss der Bilder weder linear noch chronologisch ist. Denić baut sein Bühnenbild als Aufeinanderfolge von Zeitsprüngen und Ellipsen. In einer Umdrehung der Bühne wechseln wir vom Berlin des Kalten Krieges zur Fassade der New Yorker Börse, vom petrochemischen Komplex von Buna-Schkopau zur Döner-Box.

Für Aleksandar Denić ist die Vertikalität wesentliche Gegebenheit von Wagners lyrischem Drama. In einem Interview erklärt er : „Für mich hat Wagners Musik genau diese strenge vertikale Struktur, die ich hier in Architektur übersetze.“ Fasziniert vom hohen Portal des Festspielhauses wundert er sich, dass kein Bühnenbildner vor ihm den Raum in seiner ganzen Dimension genutzt hat. Und so verschwindet der hypnotische und monumentale Mount Rushmore, der sich bis zum Schnürboden erhoben hatte, innert weniger Sekunden, um dem Platz zu machen, was Denić einen Frankenstein-Alexanderplatz nennt – eine Montage hyperrealistischer Details, zusammengesetzt in imaginärer Nähe zueinander : die Weltzeituhr (Urania), der Bahnhof, das Interieur einer Postfiliale, die Tische eines Restaurants und ein Fuß des Fernsehturms.

Als Feind eines rein dekorativen Bühnenbildes denkt sich Denić Strukturen aus, die dem Regisseur Optionen bieten. Nichts steht von vornherein fest, der Raum kann stets an Änderungen angepasst werden, die unterwegs aufkommen. Diese von Denić und Castorf geteilte Vorliebe für Intuition hält auch einige Überraschungen in Form von Fallen und Sinnestäuschungen bereit ; so verbirgt die von Christo verhüllte Fassade des Reichstags die Börse der Wall Street. Kapitalistisch oder kommunistisch, das Geld kommt immer aus der gleichen Quelle : dem Öl. Mit diesem Ring, für den er 2014 den Deutschen Theaterpreis erhielt, zeigt Aleksandar Denić das Unmögliche als wirklichen Motor der wagner'schen Oper.

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