Grane

Abwesend ? Vergessen ? Grane, das treue Reittier Brünnhildes taucht im Ring von Castorf nicht auf. Im Erbe germanisch-nordischer Mythen und Legenden sind Pferde oft die Gefährten von Göttern und heroischen Figuren. Seine logische Entsprechung findet die Grani der nordischen Sagas bei Castorf in Form eines merkwürdigen metallischen Fuhrwerks : Mimes Stier-Wohnwagen, der in der Götterdämmerung zum mobilen Zuhause von Brünnhilde wird. Die Abwesenheit des Scheiterhaufens am Ende (reduziert auf ein brennendes Ölfass) rechtfertigt die Abwesenheit des Reittiers, das die in Tränen aufgelöste Gemahlin in den Flammentod trägt. Gerade noch sehen wir, wie Wotan im dritten Akt der Walküre einen liegengebliebenen Sattel vom Treppengeländer reißt, um ihn mitten zwischen die Walküren zu werfen.

Im dritten Akt der Walküre indessen lassen die im Hangar verborgenen Ölquellen Lichter und ein rotes Fähnchen erkennen, die Augen und eine Zunge sein könnten : eine vage an ein Tier erinnernde Figur, deren pendelnde Bewegung ein Nicken des Kopfes nachahmt. Mit seiner Bezeichnung, auf englisch „horsehead pump“, „oil horse“ oder „nodding donkey“, stellt dieses Fördertier klar jenes technische Element zur Schau, das man… „Pferdekopf“ nennt. Ist Grane, an deren Seite Brünnhilde schläft eine Ölquelle ?

Im Allgemeinen lässt sich das mechanisierte Reittier bei Castorf leicht wiederfinden, als mobiles Automobil-Emblem der auf Öl errichteten Zivilisation ist es allgegenwärtig. Die Explosion im Innern eines Verbrennungsmotors genügt als Metapher für das Inferno unserer Illusionen. Der Wagen als Zeichen sozialer Anerkennung begegnet uns zunächst im Mercedes Wotans (entwendet von den Rheintöchtern), danach in der kleinen Isetta Gutrunes und schließlich im Stier-Wohnwagen Brünnhildes.

 All diese Gefährte machen nur Sinn, wenn sie funktionieren. Das Öl verleiht ihnen Sinn und dem Öl ist es zu verdanken, wenn die aufeinander folgenden Besitzer mit der Maschine an Bord ihres Geräts fahren können. Einzig der Wohnwagen entflieht der Allmacht des Öls ; als per Definition nicht-motorisierter Anhänger ist er regungsloses Fuhrwerk einer machtlosen Gottheit, des Brennstoffes wie beraubt, ausgetrocknet.