Wie bei Chéreau sind die Rheintöchter „Pétroleuses“((Dem Klischee des Flintenweibs verwandt, zeigt die „Pétroleuse“ die aktive Frau in der Revolte als despektierliches Abziehbild der verschlagenen Brandstifterin)).

„Pétroleuse“? Dieser Ausdruck lässt Ereignisse der Pariser Commune heraufziehen, als das Zweite Kaiserreich von den Flammen verzehrt wurde. Die Niederlage von Sedan führte zur Abdankung Napoleons III, das Volk von Paris würde Revolution machen, ihre Mythen und Dramen im Gefolge. Gewissen Aufständischen schob man die Verantwortung für Verbrechen und Zerstörung zu, Gerüchte, die der sogenannten „Blutigen Maiwoche“ Vorschub leisteten. Die Inbrandsetzung des Hôtel de Ville, jener kleinen Pariser Walhalla, durch die mutmaßlich feuerlegenden „Pétroleuses“ ließ viel Tinte fließen…

Bei Castorf sind die Brandstifterinnen waschechte Girls, Sexbomben, die neben dem Rhein-Pool schmachtend unterm Wäscheständer herumliegen. Entfacht vom Anblick der Geilheit Alberichs, tauchen sie nach dem Raub des Goldes in Wotans Mercedes wieder auf. Man schließt daraus, dass sie auf Wotans Rechnung arbeiten, dass er seinen Chauffeur losschickt, um sie von der „Mission“ abzuholen. Ein sinnschweres Detail : Davon auszugehen, dass sie auf Befehl handelten und Wotan den Raub des Goldes organisiert hat, heißt, dass er aus einer strategischen und politischen Situation seinen Vorteil zieht, die de facto das Erdöl ins Zentrum des Geschehens rückt. Als sie im Fernsehen Bilder von Krieg und Atombomben sehen, entscheiden sich die Undinen, die Zelte abzubrechen. Als der Chauffeur auf ein Glas ausgeht, profitieren sie von diesem Moment der Ablenkung, um den Autoschlüssel, den sie auf dem Nachtisch seines Zimmers aufgestöbert hatten, an sich zu bringen und mit dem Mercedes in die Nacht zu verschwinden. Das Auto finden sie besser als irgendwelche auf dem Wasser treibenden vergoldeten Pailletten, von nun an hüten sie den neuen mechanischen Schatz, der sich von Sprit ernährt. Indem sie die Freier sexuell ködern, lenken sie sie vom Wesentlichen ab : dem (schwarzen) Gold.

In der Götterdämmerung sehen wir die Rheintöchter wieder, wenn sie vergeblich versuchen den Ring von Siegfried wieder an sich zu bringen. Mit finsterer und dunkler Miene warnen sie ihn, doch der schneidige Held spielt seinerseits ein erotisiertes Spiel mit ihnen und tut so, als sei er noch immer ziemlich interessiert. Der Barmann – Patric Seibert – endet im Kofferraum des Mercedes, die Umstände des Mordes bleiben schleierhaft. Vielleicht war er zu umtriebig ? Vielleicht ist es auch ein warnendes Zeichen. Um ihn im Kofferraum unterzubringen, nimmt Siegfried einen Koffer mit Goldpulver (scheinbar Sand) heraus, was zeigt, dass die Rheintöchter (oder Wotan, dem der Mercedes gehört) sich einige Krümmel gesichert haben, und zugleich die Entwertung des Goldes in dieser Produktion bekräftigt.

Ein letztes Bild zeigt sie mit brennendem Feuerzeug, bereit den Ölfilm in Brand zu setzen, der die Leiche Siegfrieds überzieht. Das Bühnenbild dreht und der Zuschauer versteht, dass der Brand vielleicht die Wall Street erreicht hat… bevor wir die Rheintöchter schlussendlich nahe des Ladens „Obst und Gemüse“ wiederfinden, einem brennenden Ölfass zugewandt. Sie werfen den Ring in die Flammen und sehen extrem gelangweilt zu, wie er verschwindet. Und als ob Castorf ihnen die wichtigste Rolle dieses Rings zuweist, entscheiden sie sich als erste und letzte Inhaberinnen des Goldes, dem Fluch ein Ende zu machen.

Alles Feuer und Flamme… ?

Die Rheintöchter bei Chéreau mit Alberich (Zoltan Kelemen)

 

 

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