Rund um Freia treten die Männer in Paaren auf : Donner und Froh, Fasolt und Fafner. Zum einen die Götter, zum anderen die Riesen. Geldgeber und Handlanger.

 Zur Stunde sind die Hände der Mechniker ölverschmiert, die Stunde der Revolte hat geschlagen. Ironischerweise weist Castorf ihnen, umgekehrt proportional zu ihrer im Libretto beschriebenen gigantischen Größe, einen subalternen sozialen Platz zu. Sie sind die Muskelpackete, ausgebeutet und letzte Glieder der ökonomischen Kette der Erdölderivate. Ohne sie kann Wotans Mercedes nicht funktionieren. Voll wilder Wut stürmen sie in die Tankstelle mit dem Ziel, alles zu zerstören ; angekommen vor dem luxoriösen Kabriolett zögern sie… Das ist immerhin ein Mercedes ! Mehr noch als (Auto)bauer sind sie Wartungsarbeiter, mithin Arbeiter, deren Funktion lebensnotwendig ist für eine komplett auf Öl und Automobilindustrie gegründete Ökonomie.

 Statt mit dem erwarteten visuellen Effekt zu spielen (sie auf Stelzen laufen zu lassen oder auf den Schultern von Komparsen wie bei Chéreau), zieht Castorf das proportionale Verhältnis vor : Zwerge, Menschen, Götter und zu guter Letzt die Riesen werden gemäß ihrer Größe auf einer sozialen Stufenleiter platziert. Motor des Rings ist das Ringen um Macht und der Wille, die anderen zu beherrschen. Fasolt und Fafner dominieren die Debatten aufgrund ihrer Größe, doch in Wirklichkeit ertragen sie die Demütigungen und Schikanen von Seiten der Götter. Diese Schematisierung macht bereitwillig Anleihen bei der Comic-Bilderwelt der Bösewichte – mit Baseballschläger, Koteletten (Fasolt) sowie falschem, direkt auf's Gesicht gemalten Bart (Fafner) – ohne sich um Realismus zu scheren.

Fasolt und Fafner stehen ebenso für die beiden gegenläufigen Seiten einer sozialen Revolution. Zu Naivität wie Idealismus neigend, will Fasolt mit der Entführung Freias sein Recht zu lieben geltend machen. Sein Bruder Fafner hingegen strebt nicht nach schwelgerischen Genüssen, sondern bringt (dem Beispiel Alberichs folgend) eine Art strategische Absage an die Liebe zum Ausdruck. Für ihn ist die Entführung Freias nichts als das Mittel, um die Götter zur Zahlung von Lösegeld zu zwingen. Als sie zurückkehren, um zu fordern was ihnen zusteht, zeigt Castorf sie in ihre dunklen Anzüge gezwängt, als wollten sie einen guten Eindruck machen, ohne über ihre soziale Herkunft wirklich hinwegtäuschen zu können. Was bei den Verhandlungen zum Streit über das Schicksal Freias führt, findet in der Ermordung Fasolts seinen tragikomischen Absturz in die Vermischtes-Spalte … ohne die bestialische Paarung von Wotan und Erda hinter der Glastür zu zählen, im Rhythmus der Hiebe, mit denen Fafner auf seinen Bruder eindrischt. Fafner wäscht sich im Rhein-Pool diskret das Blut von den Händen, kehrt so zurück zu eben jenem Ort, an dem der Ring verflucht wurde.

 

Dergleichen lächerlich die kleinen Schlüpfer und Brillianten, die Fafner seinen Callgirls im zweiten Akt des Siegried offeriert. Man sieht ihn vor sich, wie er seine Gaben aus dem Beutegut abzweigt, das irgendwo in einer Kiste seiner Postfiliale am Alexanderplatz gebunkert ist. Wie in einer Abrechnung unter Ganoven wird er vom aufbrausenden Siegfried mit einer Salve aus der Kalaschnikow hinweggefegt. Tatsächlich hatte Fafner ein Dasein als Frauenheld und Lebemann dem eifersüchtigen Wachen über seinen Schatz vorgezogen. Und so ereilen ihn unglücklicherweise die Konsequenzen.

Karl Heinz Lehner (Fafner in Siegfried)

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