Nunmehr zieht ein rätselhafter Irokesenschnitt unsere Aufmerksamkeit auf sich. Zunächst im dritten Akt der Walküre, als Brünnhilde in Begleitung von Sieglinde zu ihren Schwestern zurückkehrt. Der seltsame metallene Irokesen-Helm passt nicht zum traditionellen aserbaidschanischen Kopfschmuck der Walkürengruppe. Der Iro (auf englisch Mohawk) ist emblematische Frisur der Punk-Bewegung. Als auffälliges Zeichen einer nonkonformistischen Geisteshaltung, verbreitete sich das auf dem Londoner Sloane Square geborene Symbol als Modephänomen ebenso wie als Emblem der sozialen Revolte. Gleichfalls gilt es zu beachten, dass dieses Detail als Attribut des Kriegers im kollektiven Unbewussten verankert ist. Bis dahin war Brünnhilde einzig das bewaffnete Bewusstsein Wotans („wer bin ich, bin ich dein Wille nicht?“, Walküre II, 2), ist ihrem Vater völlig unterworfen. Mit der Verteidigung Siegmunds gleitet sie in den Ungehorsam ab. Zugleich enthüllt diese Entscheidung den unbewussten Willen Wotans, gefangen in der Falle, die Fricka ihm gestellt hatte. Mit ihrer Tat bricht die Tochter mit der prüden Striktheit der Mutter wie mit der wankenden Autorität eines kleinmütigen Vaters. Diese Punk-Brünnhilde protestiert gegen eine tödliche und auf Zwang gebaute Familienordnung, sie stellt klar und deutlich ihre Ablehnung einer Gesellschaft der Götter heraus, die sich alle Macht anmaßen. Ihr bilderstürmerischer Kopfschmuck verschwindet, obgleich doch Papa Wotan mit einem keuschen Kuss auf seiner Glut entschlummert…

 Eine weitere Figur trägt die berühmte Frisur – trug müsste man sagen, denn der Irokese Hagen des Attila Jun (2013–2014) hat 2015 dem Skinhead Stephen Milling seinen Platz überlassen. Der dämonische Sohn des Alberich kann sehr wohl den Status selbsternannter Punk beanspruchen. Speerspitze und bewaffneter Arm im Kampf seines Vaters gegen den globalisierten Kapitalismus der Wotan-Company treibt er die Revolte bis an den Punkt, den Mord des Sohnes und Erben zu organisieren und die Welt ins Chaos zu stürzen. Tatsächlich „No Future“? Der in den 1970er Jahren von der Band „Sex Pistols“ erfundene berühmte Slogan ruft zur Revolte gegen etablierte Ordnung und bürgerliche Moral auf. Meist wird vergessen zu erwähnen, dass dieser für die Anfänge der Punk-Bewegung so charakteristische Slogan nur die ersten beiden Worte des vollständigen Satzes zitiert : „No Future… for you!“ – wohlgemerkt richtet sich diese Beschimpfung an die Angepassten jeglicher Couleur. Hagen ist nicht so nihilistisch und anarchistisch wie es scheint. Sein Wille, die von den Göttern festgesetzten Regeln zur Explosion zu bringen, entspringt einem rein egoistischen Vorhaben, darauf gerichtet sich die Macht anzumaßen, die sein Vater nicht erzwingen konnte.

 Unmöglich, in den Anspielungen auf die Punk-Kultur nicht ein weiteres Augenzwinkern Frank Castorfs zu sehen, in einem Ring zur Zweihundertjahrfeier, der in der Perspektive eines riesigen Sittenbildes eine Hommage an Deutschland ist. Ein verbindendes Element zwischen beiden oben genannten Figuren könnte inspiriert sein von Nina… Hagen – Muse der deutschen Punk-Rock Szene und ebenfalls in Ostberlin geboren.

 Der Sturm der Revolte hebt an…

LAISSER UN COMMENTAIRE

S'il vous plaît entrez votre commentaire!
S'il vous plaît entrez votre nom ici